Zyklus: "meine DDR" - series: "my GDR"

Seit 1985 wohne ich in Berlin und hatte, als die DDR noch bestand, die Möglichkeit, gleichzeitig in beiden Teilen der Stadt zu leben. Aus dieser Erfahrung entstand nach der Wende eine Reihe von Arbeiten unter dem Thema "Ost und West". Ich thematisiere einerseits Aspekte der Wirtschaft und anderseits die damit verknüpfte Empfindung für Zeit. Die Konflikte und die Spannungen zwischen BRD und DDR fanden eine radikale, aber dennoch friedliche Lösung, indem die Mauer fiel. Die DDR mußte sich abrupt einem neuen notwendigen wirtschaftlichen System unterordnen. Daraus resultierte, dass verglichen mit den Auffassungen, die in der DDR herrschten, gegensätzliche Ansichten "importiert" wurden. So auch der Begriff für Zeit . Einen allmählichen Entwicklungsprozess gab es nicht, alles wurde beschleunigt: man mußte schnell produzieren und sich dringend an die neuen Maßstäbe anpassen. Die Arbeit "Die Wende", 1991-1992, deutet darauf hin und zeigt die Stadt Jena als Zeitzone neben Tokyo, London, Los Angeles, Moskau, etc., in einem neuen Begriff der Zeit bzw. der Produktionszwänge. Die rasche Übernahme durch den freien Markt verunsicherte ein Volk, das keine Konkurrenz kannte. VEB-Produkte aus der DDR verschwanden nach und nach vom Markt und wurden zu Teilen der Erinnerung oder zu Symbolen für einen Staat, den es nun nicht mehr gibt. Hierzu zählen beispielsweise die Autos der Marke "Trabant" und andere Gegenstände aus dem DDR-Design. Eine Auswahl davon präsentiere ich in einer Kombination von s/w-Fotos und Mousepads.

02_Aktenzeichen O-0372-550 90 91 - Eine Freundschaft Ost-West - 2021 - Hefte, 14,8x21 cm, Druck auf DDR Papier, Klammern

Aktenzeichen O (Osten) - 0372 (Vorwahl Ost Berlin) - 550 90 91 (Telefon-Nr. der damaligen Diplomatischen Vertretung in Ost Berlin, in der ich arbeitete)

Texte von Heiko Marquardt und Paola Telesca

Übersetzung und Korrektur der Texte:  Jael Geis, Maggi Marquardt, Andrew Sier, Juliette Cazanave, Brigitta Corella, Svetlana Müller

 

01_Aktenzeichen O-0372-550 90 91 - Eine Freundschaft Ost-West - 2020

42 x 33 x 5,7 cm - Fotografie, Holz Rahmen, Pappe, Stoff, Klavier Scharnier, Schrauben, Text

Aktenzeichen O (Osten) - 0372 (Vorwahl Ost Berlin) - 550 90 91 (Telefon-Nr. der damaligen Diplomatischen Vertretung in Ost Berlin, in der ich arbeitete)

 

Meine DDR, 2001 - 14 s/w Fotografie auf Mousepads, Motive aus der ehemaligen DDR

Es handelt sich um eine Serie von 14 auf Mousepads aufgezogenen s/w Fotografien.  Abgebildet sind Motive aus der ehemaligen DDR.

Die Kombination von s/w Fotografie und Mousepad – ein untypischer Gegenstand für die DDR, wie für die 80er Jahre überhaupt – deutet auf alte und neue Zeiten, die kommen.  Ein Annähern/Reinzoomen führt den Betrachter zwischen Soldaten eines sowjetischen Denkmals, vergangene Zeitungen bis in Hinterhöfe, durch Fenster zu gemusterten Tapeten bis in eine Küche – den vertrautesten Raum einer Wohnung.  Der alte Frühstücks-Eierbecher, im hähnchenförmigen Design aus "DDR buntem" Plastik, ist auch da.

Vier Jahre intensives Leben in der DDR hinterlassen in mir Eindrücke von Alltäglichkeit.  Es ist eine kurze Zeit meines Lebens gewesen, die mir ein neues Zuhause, ein Gefühl von Heimat gegeben hat.  Ich bin, auch durch Freundschaften, in eine neue Vertrautheit hineingewachsen. 

Beim erneuten Betreten der alten Wege erfahre ich das merkwürdige und etwas traurige Gefühl, das einen begleitet, wenn man die Orte seiner Kindheit betritt.  Der Eierbecher ist nicht mehr da!  Ikea Möbel dagegen sind inzwischen in jedem Haushalt beliebt und stehen wegen ihrer Funktionalität und Raumersparnisse für eine neue Epoche.  Auf den Rechner können wir auch nicht mehr verzichten.  Der alte Küchenschrank ist eine Antiquität geworden, so wie für unsere Eltern das erste Auto – obwohl nur zehn Jahre vergangen sind.

Die Zeit vergeht, wir passen uns an und wachsen mit ihr.  Im Rhythmus des Fortschritts vergessen wir schnell die alten Zeiten – Tempi passati.  Dennoch:  wenn man einem ehemaligen DDR-Bürger fragt, woher er denn käme, sagt er "aus Ost-Deutschland" und denkt an seinen Eierbecher.

Paola Telesca, 2001

 

Präsentation im Schloss Schönhausen, Berlin-Pankow

Präsentation in der Ausstellung "Never Met Before", Begegnung junger Künstler aus Jerusalem und Berlin, Berlin

Präsentation im Heimat Haus Museum, Jesteburg

Die Wende I - Die neuen 5 Bundesländer, 1991 - Metallständer, 5 Bananen, 80x10x36,5cm

 

 

Die Wende II, 1991-1992 - 10 Wanduhren in Trabant-Scheinwerferringen nach dem Modell "Weimarer Quarz"

Die Zeitzone der Stadt Jena neben denen von Tokio, Loondon, Los Angeles, Moskau, etc. in einem Begriff der Zeit bzw. der Produktionszwänge.

Die Wende, 1991-1992

(Wanduhren in Trabant-Scheinwerferringen nach dem Modell "Weimarer Quarz")

Vor dem Mauerfall arbeitete ich in Ost Berlin, wohnte aber in West Berlin. In der DDR lernte ich ein anderes Tempo kennen. Sobald ich über den Grenzübergang „Friedrichstraße in die DDR einreiste alles wurde langsamer.

Mein Freundeskreis lebte damals die Gegenwart so wie es war, unmittelbar so wie es kam. Die Planung der Zeit fand anders als im Westen statt. Man hat spontan einen Besuch erstattet, ohne sich vorher anzumelden. Und wenn man den Freund nicht angetroffen hat, hängte man einfach einen Zettel an die Tür: „Ich war da. Liebe Grüße, Paola“. Eine meiner Freundinnen sagte: "Man trifft sich sowieso wieder“. Und das stimmte.

Im Nachhinein erzählte sie mir, dass ich damals immer hektisch war. Aus meiner Perspektive zu der Zeit stimmte das nicht. Klar, ich lebte eine andere Zeit, ein anderes Tempo, das von dem Westen, wo man nicht fragt: „Wie viel Uhr ist es?“ sondern „Wie spät ist es?“.

Mit der Wende ist vieles vom Westen übernommen worden, inklusive das Zeitgefühl. Alles wurde geändert, gestrichen oder neu gedacht. Die Produktion und die Zeit würden allmählich der neuen Realität angepasst. Die Uhren laufen! Und die Trabant Autos sind ein nostalgischer Blick in der Vergangenheit geworden, einen Souvenir für Touristen.

Die Stadt Jena wird hier als Symbol einer industrialisierten Stadt dargestellt. Sie steht in ihrem roten „Trabant Ring“ als Zeitzone neben großen, industrialisierten Städte so wie Tokio, London, Los Angeles, Moskau, etc., in einem neuen Begriff der Zeit bzw. der Produktionszwänge.

 

Ausstellung ZEITges(ch)ehen, Tempelhof-Schöneberger Kunstpreis 2010, Rathaus-Galerie, Tempelhof

Echt Berliner, 2015 - s/w Fotografie, 80x50cm

MAUERFALL - Zeichnungen, 1989

Gartenstraße, Oktober 1989, Kohlezeichnung, 20,5x13cm

Bernauerstraße, Oktober 1989, Kohlezeichnung, 20,5x13cm

Eberwalderstraße, Oktober 1989, Kohlezeichnung, 20,5x13cm

Invalidenstraße, Oktober 1989, Kohlezeichnung, 20,5x13cm

Bornholmersstraße, Oktober 1989, Kohlezeichnung, 20,5x13cm

MAUERFALL, Siebdruck, "Trabant" Farben, 1990


Urheberrechten: paola telesca, 2016